Renata Alt fragt nach Beteiligung chinesischer Konzerne am Bahnprojekt Bu-dapest-Belgrad
Mit dem Projekt der „Neuen Seidenstraße“ (engl. One Belt, One Road Initiative) möchte die Kommunistische Partei der Volksrepublik China ein umfangreiches Entwicklungsprogramm umsetzen. Mit 900 Mrd. US-Dollar Investitionsvolumen in Infrastrukturprojekte plant Staatschef Xi Jinping, eurasische Länder enger an China zu binden. Vorrangig investiert das Land in Bahn,- See und Straßeninfrastruktur sowie in Pipelines und Kraftwerke. Ziele dieser Investitionspolitik sind u.a. ein erleichterter Marktzugang für chinesische Unternehmen, Auftragsbeschaffungen für staatliche Konzerne sowie die Anwendung chinesischen Know-Hows (http://www.spiegel.de/politik/ausland/china-entwicklungsprogramm-neue-seidenstrasse-a-1147588.html).
Die „Neue Seidenstraße“ hat längst auch Europa erreicht. Als Schwerpunkt gelten südost- und osteuropäische Staaten innerhalb und außerhalb der Europäischen Union. In Griechenland hat China bereits mehr als sieben Milliarden US-Dollar investiert. Die staatliche Elektrizitätsgewerkschaft Chinas übernahm vor zwei Jahren 24 Prozent des teilprivatisierten Stromnetzbetreibers ADMIE. Mit der Übernahme des Hafens von Piräus durch die staatseigene China Ocean Shipping Company 2016 hat sich China ein „Tor nach Europa“ geschaffen, durch das chinesische Exporte nach Süd-, Ost- und Mitteleuropa transportiert werden (https://www.dw.com/de/schuldenfalle-neue-seidenstra%C3%9Fe/a-43467223).
Mit elf mitteleuropäischen EU-Staaten und fünf Beitrittskandidaten hat China 2012 das „16+1-Format“ ins Leben gerufen. Ziel dieser Initiative ist eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit. China plant, bis zu 13 Milliarden Euro in den 16 Staaten zu investieren. (https://www.derstandard.de/story/2000071428469/chinesischer-drache-ueber-dem-balkan)
Das chinesische Engagement trifft insbesondere in Westeuropa auf zunehmende Skepsis. (West-)Europäer bemängeln vor allem, dass nationale Firmen bei den Aufträgen kaum zum Zuge kommen. China knüpfe seine Kreditzusagen oft an die Bedingung, dass chinesische Firmen beauftragt werden. So auch im Fall der Modernisierung der Eisenbahnstrecke Budapest-Belgrad. Für umgerechnet 1,8 Milliarden Euro sollten die Firmen „China Railways International“ und „China Construction Company“ eine schnelle Bahnstrecke zwischen Belgrad und Budapest bauen (https://www.dw.com/de/schuldenfalle-neue-seidenstra%C3%9Fe/a-43467223).
Gegen die Idee, die Modernisierung und den Ausbau der bestehenden Strecke direkt zu vergeben, hatte die Europäische Kommission im Februar 2017 Widerspruch eingelegt und eine offizielle Untersuchung eingeleitet. Der Vorwurf: Ungarn habe die EU-Richtlinien zur Ausschreibung von solchen Großprojekten missachtet (https://www.mdr.de/heute-im-osten/ungarn-china-seidenstrasse-100.html) Ende November 2017 schrieb die ungarische Regierung den Auftrag öffentlich aus. Da die EU den Ausbau der Trassierung nicht finanziert, trägt das chinesisch-ungarische Joint Venture die Kosten (https://ted.europa.eu/TED/notice/udl?uri=TED:NOTICE:475836-2017:TEXT:DE:HTML&src=0).
Wir fragen die Bundesregierung:
- Kann die Bundesregierung nach jetzigem Kenntnisstand ausschließen, dass die ungarische Regierung Beihilfen aus EU-Förderprogramme oder EU-Fonds, wie beispielsweise den europäischen Struktur- und Investitionsfonds für die Finanzierung dieses Projekts beantragt haben?
- Ist der Bundesregierung die Praxis bekannt, chinesische Kreditzusagen an Konditionen wie die Beauftragung bestimmter Bauträger oder Unternehmen zu binden? Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung dagegen und wie sichert sie die Einhaltung von freien Ausschreibungen, sofern sie EU-Recht unterliegen?
- Welche europäischen Infrastrukturprojekte sind der Bundesregierung bekannt, die im Rahmen der chinesischen Initiative der Neuen Seidenstraße geschaffen oder unterstützt wurden und werden? (Bitte nach Zielländern und Infrastruktursparten aufschlüsseln und konkrete Investitionsziele nennen)
- Wie bewertet die Bundesregierung die strategische Investition chinesischer Firmen in europäische Verkehrs- und Logistikinfrastruktur, beispielsweise in den Hafen von Piräus und die daran anschließende Schienenverbindung, die auch das Teilstück des Bahnprojekts Budapest-Belgrad umfasst?
- Wie bewertet die Bundesregierung das seit 2012 existierende „16+1-Format“, und wie schätzt sie dessen Auswirkungen auf Einigungsprozesse in den EU-Institutionen, insbesondere mit Blick auf eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und die Rolle des Europäischen Auswärtigen Dienstes, ein?
- Wie bewertet die Bundesregierung das Engagement Chinas in EU-Beitrittsstaaten oder -kandidaten, vorrangig auf dem Westbalkan? Insbesondere mit Blick auf die umfangreichen rechtsstaatlichen Anforderungen, welche die Europäische Kommission von diesen Staaten verlangt?
- Hat die ungarische Ausschreibung für den Bau beziehungsweise die Modernisierung der Eisenbahnstrecke Budapest-Belgrad nach Kenntnis der Bundesregierung dem EU-Vergaberecht entsprochen?
- Hat es nach Kenntnis der Bundesregierung bereits eine Vergabe an Unternehmen gegeben? Falls ja, welche Unternehmen sind nach Kenntnis der Bundesregierung an diesem Projekt beteiligt und liegen der Bundesregierung Kenntnisse über die Firmen und ihre Eigentümer vor, etwa Gründungsjahr, Mehrheitsbeteiligungen, Geschäftsführer u.ä.? (Bitte nach vorhandenen Kriterien für jedes Unternehmen auflisten)
- Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob auch deutsche Firmen am Ausbau und an der Modernisierung der Schienenverbindung Budapest-Belgrad beteiligt sind? Falls ja, verfügt die Bundesregierung über Kenntnisse der zu den Eigentümern (s.o.)? (Bitte sowohl die Firmen aufführen als auch die jeweiligen Kriterien pro Firma aufschlüsseln)
- Durch wen bzw. welche Firmen soll die künftige Schienenverbindung Belgrad-Budapest nach Kenntnis der Bundesregierung betrieben werden? Im welchen Mehrheitsverhältnis stehen die Eigentümer zueinander und ist liegen nach Kenntnis der Bundesregierung alle notwendigen Lizenzen und Genehmigungen zum Betrieb vor?
- Aus welchen Mitteln wird das Bahnprojekt Belgrad-Budapest nach Kenntnis der Bundesregierung finanziert? (Bitte nach finanziellen Anteilen aufschlüsseln)
- Für den Fall, dass es eine Kreditvergabe gab: Wer ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Kreditgeber und wer der Kreditnehmer? Welche Konditionen liegen der Kreditvergabe zu Grunde, und wie beurteilt die Bundesregierung die Konditionen, insbesondere mit Blick auf die Konditionalität der Finanzmittel, Laufzeit und Zinsen, im Vergleich zu „handelsüblichen“ Krediten?
- Wie bewertet die Bundesregierung die Wahrscheinlichkeit von Kostensteigerungen im laufenden Baubetrieb, insbesondere mit Blick auf die bereits erhöhte Gesamtkostenschätzung um 0,3 Mrd. Euro vor Baubeginn? Liegen der Bundesregierung Kenntnisse darüber vor, wie und mit welchen Mitteln steigende Baukosten abgefedert oder nachträglich finanziert werden können?