Moskau: Ein hartes Pflaster für deutsche Außenpolitiker
Dieser Reisebericht erschien am 2.7.2018 in gekürzter Form im Teckboten.
Die Stimmung gegenüber Deutschland und seinen Repräsentanten ist angespannt. Das merkt die Bundestagsabgeordnete und Berichterstatterin für Russland, Renata Alt, schon beim ersten offiziellen Termin in der russischen Hauptstadt Moskau. Dorthin ist sie letzte Woche gereist, um sich einen Eindruck über den Zustand der bilateralen Beziehungen zu verschaffen. Begleitet wurde sie von ihren Fraktionskollegen Alexander Graf Lambsdorff, Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Frank Müller-Rosentritt.
Das Thema Außenpolitik birgt Konfliktpotential. Die klare Haltung der Freien Demokraten zum russischen Vorgehen in der Außenpolitik und das konsequente Bekenntnis zur europäischen Sanktionspolitik verärgert Russlands Politik.
Wie stark Russland andere Staaten zu beeinflussen versucht, erkenne man beispielsweise an der Sanktionsdebatte. Dort wird Deutschland vorgeworfen, sich den USA unterzuordnen. Dass diese Argumentation den Grund der europäischen Sanktionen – die völkerrechtswidrige Annexion der Krim – völlig ausblendet, wird in der Debatte nicht aufgegriffen. Im Gegenteil, den Besuchern wird eine Landkarte präsentiert, die die Krim als russisches Territorium darstellt. Auch das russische Engagement in der Ostukraine, von Waffenlieferungen bis zur Stellung militärischer Truppen, wird nicht anerkannt. Daher, so die Botschaft zwischen den Zeilen, fühle sich Russland auch nicht an die Umsetzung des Minsker Abkommens gebunden. Die 2015 geschlossene Vereinbarung soll unter anderem einen Waffenstillstand und den Abzug schwerer Waffen und Truppen von der Kontaktlinie in der Ostukraine erreichen. Dieser Lesart widerspricht jedoch Renata Alt: „Außenminister Lawrow reiste am 11. Juni nach Berlin, um mit seinem deutschen, französischen und ukrainischen Kollegen über die Situation in der Ostukraine zu sprechen. Die Runde im Normandie-Format hatte sich seit 14 Monate nicht mehr getroffen. Das allein zeigt mir, dass die russische Führung durchaus Interesse an der Umsetzung Minsker Abkommen hat.“
Während des zweitägigen Besuchs in Moskau traf die Außenpolitikerin auch mit Vertretern der deutschen Wirtschaft zusammen. Knapp 6000 deutsche Firmen sind vor Ort aktiv. Das Geschäftsklima wird überwiegend gut eingeschätzt, insbesondere in der Landwirtschaft und im Maschinenbau erwarten deutsche Firmen zukünftig ein starkes Wachstum. Und auch der bilaterale Handel steigt seit Ende 2016 wieder – nach gut drei Jahren sinkenden Volumens. Große Sorgen bereiten deutschen Firmen jedoch die neuen US-Sanktionen. Die deutsch-russische Außenhandelskammer fand heraus, dass über 40 Prozent der Firmen nicht wüssten, ob sie betroffen seien. Renata Alt kritisiert dabei vor allem die große Rechtsunsicherheit, die vielen deutschen Firmen vor Ort schade: „Hier ist es auch an der amerikanischen Regierung klarzustellen, welche Geschäftsbeziehungen noch möglich sind und ab wann amerikanische Sanktionen greifen“, so Alt.
Russischer Protektionismus tue sein Übriges, sagt die AHK. Bei öffentlichen Ausschreibungen, aber auch durch Einfuhrbeschränkungen und Genehmigungsverfahren würden deutsche Firmen systematisch benachteiligt.
Große Projekte, wie beispielsweise die Pipeline Nord Stream 2 zeigen, dass es noch immer gute Wirtschaftsbeziehungen in zentralen Feldern gibt. In diesem Zusammenhang setzen sich die Freien Demokraten dafür ein, dass Deutschland und die EU zwischen Russland und der Ukraine vermitteln. Denn trotz des privatwirtschaftlichen Projekts erkennen die Freien Demokraten eine klare politische Dimension der Pipeline. Ziel müsse es daher sein, so Renata Alt, eine betriebswirtschaftlich rentable Transitleistung durch die Ukraine zu gewährleisten.
Einen Hoffnungsschimmer sieht Renata Alt allerdings: Die russische Zivilgesellschaft ist sehr aktiv und liberal. Trotz aller Widrigkeiten, die der russische Staat Nichtregierungsorganisationen bereitet, gibt es eine große Gemeinschaft an Bürgerinnen und Bürgern, die sich für andere und das soziale Miteinander einsetzen. Besonders die Arbeit der Menschenrechtsorganisation Memorial International beeindruckt: „Es ist faszinierend, wie detailliert Memorial die Verbrechen unter Stalin aufarbeitet. Damit leistet sie einen unverzichtbaren Beitrag zur Demokratisierung der Gesellschaft“, meint Alt.
Trotz der gemischten Eindrücke zieht die Außenpolitikerin nach zwei Tagen ein positives Fazit ihres Besuchs: „Wir bleiben im Dialog mit der russischen Politik. Anders könnten wir die Probleme in unseren Beziehungen auch nicht lösen.“ Zurück in Berlin wird sich Alt weiterhin intensiv mit Russland befassen – die nächste Diskussion im Deutschen Bundestag deutet sich bereits an.