Haltung der Bundesregierung zum Fall Nawalny
Redemanuskript
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren!
Der Giftanschlag auf Alexej Nawalny war auch ein Anschlag auf die Hoffnung vieler Menschen auf ein demokratisches Russland. Denen, die Wladimir Putin kritisieren, wird gerne Russlandhass vorgeworfen. Eins ist für mich klar: Ich mag Russland. Gerade deshalb finde ich es unerträglich, wie dort mit den Menschen umgegangen wird.
Ich liebe die russische Sprache, die wunderbare Literatur von Tolstoi, Gogol und Tschechow. Ich höre und spiele selbst gerne die wunderschöne Musik von Tschaikowski und Schostakowitsch. Die Entfremdung zwischen Russland und dem Westen ist für mich deshalb unerträglich. Es ist grotesk: Auf der einen Seite will Russland eine führende Nation in Forschung und Technologie sein – ich sage nur „Coronaimpfung“ –, und dann werden die Gegner und Kritiker einfach so beseitigt wie früher von den Medicis. Wir Freien Demokraten verurteilen aufs Schärfste die perfide Vergiftung von Alexej Nawalny. Es war absolut richtig, Alexej Nawalny in der Berliner Charité zu behandeln. Jetzt erwarten wir von Russland ein kooperatives Verhalten bei der Aufklärung. Litwinenko, Politkowskaja, Nemzow – wurde schon erwähnt –, Skripal, der im Kleinen Tiergarten ermordete Changoschwili: In keinem dieser Fälle hat sich Russland um ernsthafte Aufklärung bemüht.
Was macht Russland jetzt, um die Vergiftung von Alexej Nawalny aufzuklären? Russland behauptet, wir hätten die Vergiftung erfunden. Deutschland wird sogar zum Täter erklärt. Eine Kooperation bei den Ermittlungen sieht anders aus. Wir wünschen uns gute und vertrauensvolle Beziehungen zwischen der EU und Russland. Aber will Russland das? Will Russland das? 2019 wurde Russland ohne Gegenleistung in die Parlamentarische Versammlung des Europarates aufgenommen. Das war ein Fehler. Wir haben damals als einzige Partei dagegengestimmt. Dieses Entgegenkommen wurde von Russland überhaupt nicht gewürdigt, im Gegenteil: Es wurde als Schwäche Europas dargestellt. Deswegen brauchen wir jetzt eine entschlossene Reaktion der Bundesregierung. Wir müssen auf Russland Druck ausüben.
Wir fordern den Außenminister Maas auf, Russland auf allen diplomatischen Ebenen und in allen internationalen Organisationen mit dem Fall Nawalny zu konfrontieren. Das Projekt Nord Stream 2 muss auf den Prüfstand gestellt werden. Wir fordern deshalb ein Moratorium für den Weiterbau des Pipelineprojektes, bis der Fall Nawalny geklärt ist. Unter den jetzigen Umständen kann nicht weitergebaut werden.
Außerdem fordern wir gezielte personenbezogene Sanktionen gegen Putins Eliten. Wir müssen diejenigen sanktionieren, gegen die Alexej Nawalny ermittelten, nämlich die korrupten Eliten Russlands. Diesen müssen wir die Einreise in die EU verweigern, deren Konten einfrieren. Diese Woche hat die FDP-Fraktion als erste Fraktion im Bundestag einen Antrag beschlossen, in dem wir genau das fordern. Wir brauchen einen europäischen Magnitsky Act. Es kann doch nicht sein, dass jemand morgens Oppositionelle vergiftet und am Nachmittag am Ku’damm shoppen geht.
Meine Damen und Herren, gute Beziehungen zu Russland sind wichtig. Wir brauchen einander. Deswegen müssen wir unbedingt weiter mit der russischen Zivilgesellschaft im Dialog bleiben. Russischen Dissidenten, die von politischer Verfolgung betroffen sind, sollte die Bundesregierung proaktiv Asyl anbieten. Ich appelliere an die Bundesregierung: Legen Sie Nord Stream 2 jetzt auf Eis! Verhängen Sie persönliche Sanktionen gegen die Menschenrechtsverletzer! Alexej Nawalny wird Ihnen dafür danken.